Statement der CDU-Fraktion zur Vorlage 090/2020 -Livestream
von Simon Sabinarz
Hier auch die gesprochene Version, einfach zuhören:
https://www.cdu-olsberg.de/assets/AUD-20210218-WA0011.m4a
Antrag der SPD-Fraktion auf Möglichkeit öffentliche Ratssitzungen per Livestream im Internet zugänglich zu machen.
Sehr geehrter Bürgermeister Fischer, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Ratsmitglieder,
beim Thema „Livestreaming von Ratssitzungen“ aus der heutigen Vorlage beschäftigen wir uns, wie die Vorlage zeigt, mit einem sehr umfang- und facettenreichen Thema, wenn uns auch die aktuelle Zeit zeigt, dass die technische Umsetzung durchaus unter gewissen Kosten realisierbar ist.
Doch vorweg sollten wir vielleicht einen Aspekt beleuchten: den Aspekt der
Öffentlichkeit von Ratssitzungen.
Der Begriff der „Öffentlichkeit“, welcher in der Gemeindeordnung benutzt wird, setzt nicht zwangsläufig auch eine „Medienöffentlichkeit“ voraus, sondern „öffentlich“ heißt nach überwiegender Rechtsprechung, dass es Bürgerinnen und Bürgern sowie Medienvertretern gestattet sein muss vor Ort anwesend sein zu dürfen. Damit ist aber in keiner Hinsicht die
Übertragung in Bild und Ton gemeint, denn was man sich bei der Übertragung immer vor Augen führen muss ist, dass Bild und Ton weltweit abrufbar sind. Und diese Datenübermittlung führt zu einem ganz anderen Sachverhalt, wie dem reinen Sachverhalt der „Sitzungsöffentlichkeit“. Ab diesem Moment ist es dann nämlich fraglich, ob die informellen Interessen der Bürger und damit die weltweite Übertragung dem Recht auf
informelle Selbstbestimmung über gestellt sind.
Und ab diesem Punkt möchte ich einfach mal ganz praktisch am Beispiel einer Ratssitzung darstellen, welche rechtlichen Hürden bewältigt werden müssen, um Livestreams zu ermöglichen und welche konkreten Seitenaspekte die rechtlichen Gegebenheiten mit sich bringen.
Nach dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist die Einholung einer Einwilligung für die Übertragung von Bild und Ton einer Person erforderlich. Das bedeutet konkret, dass vor jeder Sitzung die Zuschauer, die Medienvertreter, die Verwaltungsmitarbeiter, der Bürgermeister und die Ratsmitglieder ihre Einwilligung zur Übertragung geben müssen, erst
danach kann die Sitzung beginnen. Je nach Anzahl der Personen würde dies also zu einer Verzögerung des Sitzungsbeginns führen, denn ähnlich wie bei Cookies im Internet, ist jedes Mal eine neue Zustimmung erforderlich, da es in NRW keine rechtliche Grundlage für die
generelle Zustimmung der Ratsmitglieder gibt.
Dies führt direkt zum nächsten Aspekt: der Verweigerung der Einwilligung. Für die Zuschauer des Livestreams bedeutet das dann pragmatisch, wenn ein Teilnehmer der Aufzeichnung nicht zustimmt, muss an dieser Stelle, bevor die Person ins Bild kommt oder etwas sagt, der Livestream unterbrochen werden, und zwar für die gesamte Zeit des Beitrags der
entsprechenden Person oder vielleicht sogar Personen. Hier sehen wir doch einen erheblichen organisatorischen Aufwand, zumal auch immer sichergestellt werden muss, dass nicht durch ein Versehen oder einen technischen Defekt eine ungewollte Übertragung stattfindet. Ebenso gilt die Unterbrechung auch für alle anderen Anwesenden im Saal, sprich
ein Kameraschwenk ist dann zum Beispiel nicht mehr ungehindert oder gar nicht möglich und für Aufnahmen des gesamten Auditoriums gilt das ebenfalls. In diesem Fall ist man dann nämlich schnell wieder bei einer oder mehreren Pultkameras, welche dem Zuschauer unter Umständen einen zeitweise unterbrochenen Stream zeigen und da stellt sich doch dann die Frage: Ist das ein attraktives Format für die Bürgerinnen und Bürger?
Und diese Frage lässt sich vielleicht teilweise beantworten, denn es gibt schon einige größere Kommunen, welche das Livestreaming einsetzen, wie zum Beispiel Bonn, Wuppertal, München, Stuttgart, Menden. Schaut man sich hier einmal die Nutzerzahlen an, so verzeichnet München bei 1,5 Millionen Einwohnern eine aktive Zuschauerzahl von 1000 während der Sitzungen und ca. 500 Aufrufe der späteren Aufzeichnung. Für Bonn mit ca.
300.000 Einwohnern liegen die Zahlen zwischen 2016 und 2019 im Schnitt bei ca. 250 aktiven Zuschauern, sodass sich dann doch die Frage der Kosten aufdrängt. Und egal welchen Weg man geht, sei es über einen externen Dienstleister oder die Durchführung mit Mitarbeitern der Verwaltung, es werden Kosten anfallen, die Vorlage gibt hier mit ca. 1000€ pro Sitzung ja einen Richtwert. Bei acht Sitzungen im Jahr kämen wir dann auf ca. 8000€.
Diese Kosten sind allerdings nur eine Seite der Medaille. Wie eingangs bereits erwähnt kommen noch rechtliche Seitenaspekte und daraus folgende Kosten hinzu, welche damit zu tun haben, dass die Stadt Olsberg als verantwortliche Instanz für den Datenschutz Sorge zu tragen hat. Für den Fall, dass es zu möglichen Datenschutzverstößen durch Dritte kommt,
zum Beispiel in dem das Material unrechtmäßig verwendet wird oder missbräuchlich gegen Personen eingesetzt wird, so ist die Stadt als Datenschutzverantwortliche für eventuelle Rechtsstreitigkeiten verantwortlich.
Weiterhin sollte man auch die Folgekosten einer möglichen späteren Archivierung nicht unbeachtet lassen. Hierzu muss man bedenken, dass
eine Person jederzeit ihre Zustimmung widerrufen kann, was dazu führen würde, dass die archivierte Aufzeichnung entweder komplett gelöscht oder nachbearbeitet werden muss. Im Nachgang dazu ergeben sich hierdurch wieder rechtliche Aspekte, ganz praktisch gesprochen, wie sorge ich für die korrekte und vollständige Löschung und was passiert zum Beispiel, wenn ein Dritter noch gespeicherte Videos auf einer anderen Plattform hochlädt.
Auch hier ist die Stadt als Datenschutzverantwortliche wieder für die rechtlichen Belange zuständig. Am Beispiel der Stadt Rostock hat dies dazu geführt, dass die Stadt einzelne Personen verklagt hat, welche Aufnahmen missbräuchlich im Wahlkampf eingesetzt haben.
Als letzten Punkt möchte ich noch kurz auf das Argument des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema eingehen, wodurch eine ständige Medienpräsenz zur Änderung des Verhaltens von Betroffenen führen kann und laut Bundesverwaltungsgericht zur möglichen
Beeinträchtigung der freien Rede der Betroffenen. Um hier bildlich zu werden: Wer kennt es denn nicht bei jedem Fußballspiel, der beste Trainer sitzt immer auf der Couch vor dem Fernseher und von dort aus kommentiert es sich in den sozialen Medien auch am angenehmsten, frei nach dem Motto, hier sieht mich ja keiner. Natürlich hat man sich für
dieses Ehrenamt entschieden, mit allem was dazu gehört, aber eventuell bei jedem kleinsten Versprecher oder einer falschen Aussage an den Pranger gestellt zu werden, führt sicherlich nicht immer zu einer ganz unbefangenen Meinung.
Schlussendlich sind wir als CDU über jede Person froh, die sich neu für Politik begeistern lässt, aber dieses sollte dann doch bitte über Kanäle und Mittel erfolgen, welche nicht mit ungeahnten Kosten behaftet sind, insbesondere in dieser Zeit. Und darum wollen wir verstärkt daran arbeiten unsere Mitarbeit am Rat den Bürgerinnen und Bürgern über andere Kanäle zu präsentieren und sind daher gegen das Livestreaming der Ratssitzungen vor den benannten Aspekten.
Und zu guter Letzt stellt sich doch die Frage: „Sind wir ohne Livestreaming als Rat intransparent?“.