Kommunen ohne Steuerungsmöglichkeit beim Ausbau von Windenergieanlagen
Unser Statement von Ratsvertreter Frank Kleine-Nathland aus der Sitzung des Rates am 14.11.2024
Als Vertreter der hauptbetroffenen Orte Helmeringhausen und Gevelinghausen kann ich es Ihnen und Euch natürlich nicht ersparen, auch ein paar Worte zu diesem Tagesordnungspunkt zu sagen. Ich knüpfe hier gerne an die Ausführungen meines Fraktionskollegen Knut Finkel vor 14 Tagen im Bauausschuss an.
„Grundsätzlich haben wir nichts gegen Windkraft“, so beginnen heute in aller Regel viele Stellungnahmen und Meinungsäußerungen zum Thema Windkraft.
Und auch ich möchte meinen kurzen Beitrag heute so eröffnen, weil es stimmt. Grundsätzlich hat die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Olsberg nichts gegen Windkraft und verleugnet auch nicht den Klimawandel. Wir haben aber sehr wohl etwas gegen einen unkontrollierbaren Windkraftwildwuchs und gegen die völlige Entmachtung der Kommunalparlamente – dazu später mehr.
Die extrem trockenen Sommer Ende der 2010er und Anfang der 2020er Jahre, Starkregenereignisse und Hochwasser in der jüngeren Vergangenheit und explodierende Energiepreise und sogar drohende Energieknappheit aufgrund des Ukrainekrieges haben bei vielen Menschen zu einem Umdenken geführt. Wir wissen, dass wir erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Windkraft brauchen, wenn wir auf Dauer unabhängig von Lieferungen aus dem Ausland werden wollen, wenn Energie verfügbar und bezahlbar bleiben soll, und wenn wir dem unbestritten stattfindenden Klimawandel erfolgreich entgegenwirken wollen.
Daraus darf aber nun auf gar keinen Fall folgen, dass unser schönes Sauerland unter dem Deckmantel des Klimaschutzes unkontrolliert und vollkommen ohne jedes Maß, ohne jegliche kommunale Steuerungsmöglichkeit und ohne Beteiligung und somit ohne Akzeptanz der Bevölkerung vor Ort mit Windenergieanlagen vollgepflastert wird. Das werden wir nicht klaglos hinnehmen! Das will kein Mensch, und das versteht kein Mensch! Und wie man aus Düsseldorf hört, hat das sogar unsere grüne Wirtschaftsministerin verstanden und unterstützt die Bemühungen zur Wiederinkraftsetzung kommunaler Steuerrungsinstrumente. Wir hoffen, hier vor Ort gibt es diese Einsicht auch.
Früher war die kommunale Planungshoheit ein sehr hohes Gut. Die Städte und Gemeinden haben festgelegt, was innerhalb ihrer Grenzen passiert, wo gewohnt wird, wo Gewerbegebiete eingerichtet werden, welche Flächen für die Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehen und auch, wo ggf. Windkraftanlagen errichtet werden dürfen.
Dass mit der Windkraft war zugegebener Maßen auch damals schon nicht einfach. Es gab in ganz Nordrhein-Westfalen kaum einen Flächennutzungsplan, der nicht in Sachen Windkraft beklagt wurde, und der dann einer gerichtlichen Überprüfung Stand gehalten hat. In der Regel fanden findige Anwälte immer irgendeinen Formfehler oder die Gerichte entschieden, dass der Windkraft in den Plänen nicht substanziell Raum verschafft wurde.
Aber das alles ist Schnee von gestern. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz und dem Windenergieflächenbedarfsgesetz hat die ehemalige Ampelregierung in Berlin die Planung von Windenergieflächen komplett auf den Kopf gestellt und Flächenziele für die Windenergie festgelegt, die jedes Bundesland erbringen muss. Die Planung von Windenergiebereichen erfolgt also nun von oben nach unten.
Für Nordrhein-Westfalen bedeutet dies, dass bis zum Jahr 2032 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft zur Verfügung zu stellen sind. Heruntergebrochen auf die Planungsregion Arnsberg, das sind die fünf südwestfälischen Kreise, sind dies gut 13.200 ha (2,13 Prozent der Fläche), heruntergebrochen auf den Hochsauerlandkreis gut 7.300 ha (fast 4 Prozent der Fläche) und last but not least für die Stadt Olsberg 531 ha, was ca. 4,5 Prozent des Stadtgebiets entsprechen würde.
Man sieht – ganz NRW 1,8 Prozent der Fläche, der HSK bzw. Olsberg 4 bzw. 4,5 Prozent ihrer Fläche. Soll also niemand behaupten, wir würden unseren Beitrag zur Rettung der Welt nicht leisten.
Nordrhein-Westfalen geht bei der Erreichung der Flächenziele ambitioniert voran und zieht die planerische Umsetzung des Flächenziels in Höhe von 1,8 Prozent der Landesfläche von 2032 auf 2025 vor. Wir sind damit sieben Jahre schneller als es bundesgesetzlich vorgegeben ist, und schaffen frühzeitig Planungssicherheit – für die Kommunen, für die Bürgerinnen und Bürger und auch für die Projektierer.
Die von mir zitierten Gesetze regeln nämlich u.a., dass Windenergieanlagen, sobald die Flächenziele planerisch erreicht sind, also ab 2025, nur noch in den explizit dafür vorgesehenen Bereichen als privilegierte Bauvorhaben im Außenbereich zulässig sind. Anlagen außerhalb der ausgewiesenen Windkraftgebiete wären dann, nach Erreichen des Flächenziels, nicht mehr privilegiert (und damit regelmäßig unzulässig).
Und damit nun endlich zum eigentlichen Problem, das uns hier heute Abend beschäftigt und die Bevölkerung in den letzten Wochen auf die Barrikaden gebracht hat. Um den Ausbau der Windenergie im Zeitraum bis zur Feststellung der Flächenbeitragsziele im Jahr 2025 zu steuern und Wildwuchs zu verhindern fehlen den Kommunen aktuell geeignete Steuerungsinstrumente. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die Möglichkeit geschaffen, die Bearbeitung von Anträgen für Windkraftanlagen außerhalb potentieller zukünftiger Windvorranggebiete für ein Jahr auszusetzen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat diese Regelung aber wieder einkassiert und für höchstwahrscheinlich nichtig erklärt, weil sie mit Bundesrecht kollidiert. Das Gericht hat sich dabei allerdings, so wie ich es verstanden habe, auf eine geplante Norm bezogen, die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindet, und die noch gar keine Rechtskraft hat. Wie man aktuell aus Berlin hört wird sie evtl., aufgrund des Bruchs der Ampel, auch gar nicht mehr verabschiedet werden. Bin ich evtl. der Einzige hier im Saal der sich fragt, wie eine gültige landesrechtliche Regelung gegen eine bundesrechtliche Regelung verstoßen kann, die es gar nicht gibt?
Aufgrund dieser komplizierten Gemengelage befinden wir uns aktuell also quasi in einer „rechtsfreien“ Zeit. Das nutzen viele Projektierer und Windenergieunternehmen aus, und fluten die Genehmigungsbehörden mit Anträgen, da Vorhaben, die jetzt beantragt werden, noch als privilegierte Bauvorhaben im Außenbereich zu behandeln sind, auch wenn sie außerhalb der zukünftigen Windvorrangzonen liegen. Und als privilegierte Bauvorhaben sind sie regelmäßig zu genehmigen, wenn nicht öffentliche Belange entgegenstehen.
Besonders beliebt ist dabei aktuell das Instrument der Bauvoranfrage, da diese zunächst ohne teure Fachgutachten eingereicht werden kann, die in einem Vollverfahren sofort beizubringen wären und mit einer erheblichen finanziellen Vorleistung für die Projektierer verbunden wären. Außerdem handelt es sich bei Bauvoranfragen um nichtöffentliche Verfahren ohne Offenlegung der Planungen und ohne Bürgerbeteiligung. Man erspart sich als Projektierer also zunächst die oftmals unerfreuliche Auseinandersetzung mit der Bevölkerung vor Ort und kann diese dann, nach der Genehmigungserteilung, quasi vor vollendete Tatsachen stellen.
Außerdem kann man dann noch mit „großzügigen“ Beteiligungsmodellen nach dem Bürgerenergiegesetz für Akzeptanz und gute Laune vor Ort sorgen. Es mag für die, die es sich leisten können, vielleicht sogar tatsächlich eine attraktive und renditestarke Geldanlage sein. Ironisch oder boshaft könnte man aber auch sagen: „Jetzt lassen sie die Dorftrottel vor Ort auch noch selbst dafür bezahlen, dass sie ihnen die Windkraftanlagen direkt vor die Nase setzten.“
Ist das alles noch demokratisch? Dienen solche Verfahren und Vorgehensweisen tatsächlich dem Klimaschutz? Glaubt irgendwer hier im Saal, dass wir auf diese Art und Weise die betroffene Bevölkerung vor Ort mitnehmen können und dass erneuerbare Energien so auf Akzeptanz und Zustimmung stoßen? Wohl kaum!
Und vielleicht zum Schluss meiner Ausführungen noch eine kleine Anekdote am Rande zu den Stichworten Klimaschutz und Weltretten: Für einige Standorte, die in unmittelbarer Nähe der Flächen liegen, über die wir heute Abend sprechen, liegt einem anderen Projektierer, also einem Marktbegleiter der Firma Naturwerk, bereits ein positiver Vorbescheid vor. Unseres Wissens wurden in dem damaligen Verfahren allerdings nur militärische Aspekte und Aspekte der Flugsicherheit geprüft. Dieser Projektierer müsste für einen Vollantrag also noch eine ganze Menge an teuren Unterlagen und Gutachten beibringen, hat dies aber wohl durchaus ernsthaft vor.
Und da dieser Projektierer nun fürchtet, dass sich die Pläne der Firma Naturwerk nachteilig auf sein Vorhaben auswirken könnten, ist er allen Ernstes an die Politik in Olsberg herangetreten und erwartet, dass wir heute zu dem in Rede stehenden Vorhaben von Naturwerk das gemeindliche Einvernehmen versagen, um sein Projekt zu sichern, und um ihm einen Vorteil zu verschaffen.
Meine Damen und Herren, diesem Anliegen werden wir natürlich nicht folgen!
Wir als CDU-Fraktion werden das gemeindliche Einvernehmen zu den geplanten Windkraftanlagen vielmehr versagen, weil, und hier möchte ich jetzt meinen Fraktionskollegen Knut Finkel aus der letzten Bauausschusssitzung zitieren, denn besser kann man es nicht auf den Punkt bringen,
weil wir uns ganz klar gegen die Außerkraftsetzung der kommunalen Selbstverwaltung im Bezug auf die Gestaltung der Energiewende vor Ort durch die ehemalige Ampelregierung in Berlin aussprechen
weil wir es als Bevormundung und beinahe schon Demütigung ansehen, unser Einvernehmen zu einer Sache erteilen zu sollen, ja zu müssen, bei der wir keinerlei Mitspracherecht und keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten haben
weil wir durch die Erteilung des Einvernehmens unsere Rechtlosigkeit quasi auch noch klaglos akzeptieren würden
und weil wir wissen, dass wir eine echte Energiewende nur schaffen werden, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und für eine breite Akzeptanz sorgen, wenn wir ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen und wenn wir Ihnen die Windkraftanlagen nicht direkt vor ihre Gartenzäune stellen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Geduld! Die anderen Fraktionen laden wir im Übrigen herzlich ein, sich der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens anzuschließen. Um hier ein politisches Zeichen zu setzen, nicht, weil wir grundsätzlich etwas gegen Windkraft haben.